SÄUREATTENTATE IN BANGLADESCH – EIN FALLBEISPIEL
Nasima aus Brahmanbaria war erst elf Jahre alt, als der Nachbar – zugleich ein Onkel – am 3. September 1992 ihr Säure ins Gesicht schüttete. Der damals schon 27-jährige hatte ihr einen Heiratsantrag gemacht. Nasima und ihre Eltern hatten abgelehnt. Sie fühlte sich ja noch viel zu jung. Der Täter kam mitten in der Nacht, als sie in ihrem Zimmer schlief. Er kam gemeinsam mit einem Freund. Das Mädchen wusste nicht, was da in ihrem Gesicht brannte. Sie hatte noch nie etwas von Säure und Säureanschlägen gehört. Der Täter starb 1997 an einem Herzinfarkt, bevor der Prozess gegen ihn zu Ende geführt war. Der Freund und Mittäter floh und ist bis heute auf freiem Fuß.
WAS IST EIN SÄUREANSCHLAG?
Bei der Flüssigkeit, die der Täter benutzt, handelt es sich meist um konzentrierte Schwefelsäure, wie sie in Autobatterien verwendet wird und trotz gesetzlicher Beschränkung weiter spottbillig fast an jeder Straßenecke zu kaufen ist. Einige Täter verwenden auch Salzsäure. In jedem Fall verätzt die Säure die Haut an den Stellen, an denen sie auftrifft, meist bis auf die Knochen. Gelangt nur ein kleiner Tropfen in die Augen, führt dies zur Erblindung.
WELCHE SIND DIE AUSWIRKUNGEN VON SÄUREANSCHLÄGEN?
Säureanschläge zählen zu den schrecklichsten Verbrechen. Die Säure zerstört nicht nur das Gesicht, die Genitalien oder andere Körperteile, sondern die Zukunft der Überlebenden. Die Chance einer Frau, sich zu verheiraten, eine Familie zu gründen und ein normales Leben zu führen, geht nach einem solchen Verbrechen gegen Null. Die Säure stigmatisiert sie lebenslänglich. Zusätzlich zu den körperlichen Qualen wird sie gemieden, selbst von Passanten auf der Straße. Teilweise werden die Betroffenen sogar von ihrer Familie und der Öffentlichkeit mitverantwortlich gemacht. Sie hätten, so wird ihnen unterstellt, das Verbrechen etwa durch “aufreizendes Verhalten” selbst herausgefordert.
WELCHE SIND DIE MOTIVE FÜR SÄUREANSCHLÄGE?
Betroffene sind oft um Mädchen und Frauen, die sich sexueller Avancen oder Heiratsangeboten verweigern. Ungefähr jeder zweite Säureanschlag ist in Bangladesch auf eines dieser beiden “Motive” zurückzuführen. Gefährdet sind außerdem Ehefrauen, deren Eltern neuen Mitgift-Forderungen des Ehemanns nicht nachkommen können oder wollen.
Auch Landstreitigkeiten führen zu diesen grausamen Verbrechen. Hier und bei Familienstreitigkeiten sind häufig auch Männer die Opfer. Die Täter sind oftmals gedungene Kriminelle. Nicht selten werden Dritte – darunter zufällig anwesende Männer oder Kinder – von der Säure mitgetroffen.
WER SIND DIE OPFER?
Laut einer Krankenhaus-Studie in Dhaka sind fast drei von vier Anschlagsopfern – genau 73 Prozent – Frauen; ihr Durchschnittsalter liegt bei 21 Jahren. Bei den Männern beträgt das Durchschnittsalter 25 Jahre.
WO WERDEN DIE ANSCHLÄGE VERÜBT?
Als Tatort wird mit 27 Prozent am häufigsten der häusliche Bereich genannt. Dahinter folgen mit 26 Prozent die Straße und mit 20 Prozent Schule oder Universität.
DIE SÄUREANSCHLÄGE IN BANGLADESCH
Nirgendwo sonst auf der Welt ist die Zahl der Säureattentate so hoch wie in Bangladesch.Der erste Fall eines Säureanschlags ist in Bangladesch 1967 bekannt geworden. Seit Mitte der neunziger Jahre steigt die Zahl rapide an. Nach Angaben der Acid Survivors Foundation erhöhte sich die Zahl der Säure-Straftaten von 222 in 2000 über 341 in 2001 auf 485 in 2002. Im Jahr 2003 wurden 410 Säureattentate gezählt. 2004 waren es immer noch 322. Damit kommt es in Bangladesch noch fast täglich zu einer solchen schrecklichen Straftat.
Trotz der Einführung des “Acid Crime Prevention Act” in 2002 müssen Säureattentäter damit rechnen, im Falle einer Anklage zu einer langjährigen Haft oder sogar zum Tode verurteilt zu werden. Fest steht, dass aber nur eine Minderheit vor Gericht gestellt wird. Zudem handelt es sich beim Täter oft um einen Verwandten oder Nachbarn. Die Androhung der Todesstrafe erhöht den Druck, sich außergerichtlich zu einigen – fast immer auf Kosten der Überlebenden. So kommt es vor, dass der Täter verpflichtet wird, das Opfer zu heiraten. Wie es der betroffenen Frau dabei geht, wird nicht gefragt. Zudem versuchen die Verteidiger der Straftäter häufig, sie als “schlechte Frauen” hinzustellen.
Auch korrupte Polizisten oder Richter, die sich bestechen lassen, verhindern, dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden. Die Bangladesh National Women Lawyers Association und die “Acid Survivors Foundation” (ASF) schätzen, dass nur einer von neun Säurewerfern vor Gericht kommt.
DIE ACID SURVIVORS FOUNDATION (ASF)
Indessen hat Nasima Aufnahme bei der ASF gefunden. Nach Abschluss der medizinischen Behandlung lebt sie bei ihrem Cousin, der sie trotz Einspruch seiner Eltern geheiratet hat. Sie kommt regelmäßig zur ASF. Die Gespräche mit den Ärzten und Psychologen sowie den anderen Überlebenden von Säureopfern geben ihr Kraft. Die Mitgründerin und Geschäftsführerin von ASF, Monira Rahman, erhielt 2006 den Menschenrechtspreis der deutschen Sektion von Amnesty International.
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Steinigung
Die Steinigung ist eine besondere Art der Vollstreckung eines Todesurteils, die bereits für viele Gesellschaften des Altertums bezeugt ist. Dabei wird der Delinquent vor den Augen von Richtern, Zeugen und Schaulustigen so lange mit scharfkantigen Steinen beworfen, bis der Tod eintritt. Diese Hinrichtungsmethode ist extrem grausam, da sie darauf abzielt, dem Opfer vor Eintreten des Todes schwerste Schmerzen zuzufügen. Die Ausführungsbestimmungen sehen vor, dass die verwendeten Steine so gewählt werden sollen, dass sie das Opfer nicht sofort töten.
Augenzeugenbericht einer Steinigung in Iran, 1987 »Der Lastwagen lud eine große Menge Steine und Kiesel am Rande des unbebauten Feldes ab. Dann wurden zwei weiß gekleidete Frauen mit Säcken über den Köpfen an den Ort geführt … (sie) wurden von einem Hagel von Steinen getroffen, und bald sahen sie aus wie zwei rote Säcke…
Die verwundeten Frauen fielen zu Boden und Angehörige der Revolutionsgarden schlugen ihnen mit einer Schaufel die Schädel ein, um sicherzustellen, dass sie tot waren«
DIE POSITION VON AMNESTY INTERNATIONAL
Amnesty International erkennt das Recht und die Verantwortung von Behörden an, Straftäter strafrechtlich zu verfolgen, wendet sich jedoch gleichzeitig ungeachtet der Schwere eines Verbrechens vorbehaltlos gegen die Todesstrafe, weil sie eine Verletzung des Rechts auf Leben (des fundamentalsten Menschenrechts) und des Rechts, keiner grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden, darstellt. Diese Rechte sind in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert. Die Hinrichtung durch Steinigung betrachtet Amnesty International als besonders brutale Hinrichtungsmethode, die darauf abzielt, dem Opfer vor Eintreten des Todes schwerste Schmerzen zuzufügen. Als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte hat Iran sich dazu verpflichtet, die Todesstrafe „nur für schwerste Verbrechen“ zu verhängen. Der UN-Menschenrechtsausschuss hat unmissverständlich deutlich gemacht, dass die Behandlung von Ehebruch und einvernehmlichen sexuellen Beziehungen zwischen unverheirateten Erwachsenen als Straftaten gegen internationale Menschenrechtsstandards verstößt.
AKTIONEN ZUM THEMA
Nein zu Steinigungen
Februar bis Juni 2007
Steinigungen im Iran – Meistens trifft es Frauen
Hintergrund der Aktion
Die Mehrheit der zum Tod durch Steinigung Verurteilten sind Frauen. “Das liegt daran, dass Frauen in vieler Hinsicht diskriminiert sind”, erklärte Jüttner. Für Frauen ist es schwerer, eine Scheidung zu erreichen. Die Aussage einer Frau vor Gericht gilt nur halb soviel wie die eines Mannes. Angehörige ethnischer Minderheiten verstehen die Gerichtsprache Persisch oft nicht, andere können nicht lesen und schreiben. Und vielen Frauen fehlt schlicht das Geld für einen Anwalt – so gehen Steinigungen oft ungerechte Gerichtsverhandlungen voraus.
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Auswirkungen von Kleinwaffen auf Frauen
WELCHE AUSWIRKUNG HABEN KLEINWAFFEN AUF DAS LEBEN VON FRAUEN?
Genaue Zahlen gibt es nicht, doch Schätzungen zufolge sind fast 900 Millionen Kleinwaffen weltweit im Umlauf, für jeden achten Menschen eine. Es finden sich etwa 60 Prozent aller Kleinwaffen in Privatbesitz. Die Folgen dieser massiven Verbreitung leichter Waffen sind verheerend. Nicht nur, dass seit 1979 in den USA mehr Kinder durch Schusswaffen umkamen als US-Soldaten in Vietnam starben. Auch bis zu 90 Prozent aller Kriegsopfer sterben heute durch Kleinwaffen, die überwiegende Mehrheit von ihnen Frauen und Kinder. Berechnungen zufolge töten Handfeuerwaffen jedes Jahr zwischen 200.000 bis 400.000 Menschen, pro Tag sind dies bis zu 1100 Opfer. Immer wieder werden Frauen und Mädchen in bewaffneten Konflikten unter vorgehaltener Waffe vergewaltigt – zum Beispiel in Ruanda, Kroatien und Bosnien. Gerade in Kriegssituationen sind Frauen erhöhter sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Auch nach dem Ende des Krieges verschwinden die brutalen Züge des Krieges nicht spurlos. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Studien vorgelegt, wonach Gewalt in Kriegsgebieten auch nach dem Ende der Kämpfe weit verbreitet ist, unter anderem wegen der gestiegenen gesellschaftlichen Akzeptanz von Gewalt und der weiten Verbreitung von Waffen. Zurückkehrende Soldaten, oftmals traumatisiert und zu Brutalität ‚erzogen’, tragen die Gewalt direkt in die Familie hinein. Bringen die Soldaten zusätzlich noch ihre Waffen mit, steigt die Gefahr für Frauen. SOS-Belgrad berichtete, dass Männer, die gewaltbereit und traumatisiert aus dem Krieg zurückkehrten, mit den Waffen ihre eigenen Frauen bedrohten und einschüchterten. Frauen sterben vier Mal mehr gewalttätig, wenn sich eine Waffe in ihrem Haus befindet.
WAFFENEXPORTE UND KLEINWAFFEN IN PRIVATER HAND
Der Wert der weltweiten genehmigten Waffenexporte machte 2012 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr aus (rechnet man die Umsätze aus Herstellung etc. mit ein, steigt die Zahl auf 120 Milliarden US-Dollar). 2005 betrug der Umsatz noch 21 Milliarden US-Dollar.
639 Millionen Kleinwaffen sind weltweit im Umlauf, die von mehr als 1.200 Firmen in mehr als 90 Ländern hergestellt werden. Jedes Jahr werden weitere 8 Millionen Kleinwaffen und 16 Milliarden Munitionseinheiten produziert – das sind mehr als zwei Geschosse für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind auf der Welt. Es wird geschätzt, dass 80-90 Prozent aller illegalen Kleinwaffen ursprünglich aus dem staatlich sanktionierten Handel stammen. “Ein verlorenes Gepäckstück kann auf dem Weg von San Francisco nach Sierra Leone innerhalb weniger Stunden gefunden werden. Tödliche Waffen verschwinden jedoch täglich ohne jede Spur“, beklagt Jeremy Hobbs, Direktor von Oxfam International. Zwar tragen auch Kleinwaffen Seriennummern, doch ein weltweites System zur Kontrolle exportierter Kleinwaffen und zur Überprüfung von Seriennummern fehlt völlig. Dadurch werden sie als Instrument der Waffenkontrolle wertlos. Exportstaaten können sich darauf berufen, dass sie nicht wissen, wie die Kleinwaffen in die Hände von Verbrechern gekommen sind. Aufgrund der fehlenden globalen Registrierungen ist es nahezu unmöglich, illegale Exporte oder den Bruch eines UN-Waffenembargos zu ahnden. Deswegen haben Amnesty International und andere Organisationen jahrelang für ein Abkommen zur weltweiten Kontrolle des Waffenhandels gekämpft. 2013 ist dieses dann auch endlich verabschiedet worden.
HÄNDE HOCH FÜR WAFFENKONTROLLE – ARMS TRADE TREATY (ATT)
Bisher gab es kaum verbindliche internationale Regeln, die den grenzüberschreitenden Handel mit Schusswaffen, Panzerfahrzeugen oder anderen konventionellen Rüstungsgütern einschränken würden.
Der ATT ist ein multilateraler Vertrag, der den internationalen Handel mit konventionellen Waffen regeln soll. In diesem Vertrag werden gemeinsame internationale Normen für den Import, Export und Transfer von konventionellen Waffen zusammengetragen. Am 2. April 2013 wurde das Abkommen mit 154 zu 3 (die demokratische Volksrepublik Korea, Iran und Syrien) Stimmen bei 23 Enthaltungen verabschiedet, jedoch steht die Ratifizierung noch aus. Damit das Abkommen in Kraft tritt, muss es von 50 Regierungen ratifiziert werden. (Stand Oktober 2013: 7 Ratifizierungen) Zudem stimmte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 27.09.2013 über die Resolution ab „Impact of arms transfer on human rights in armed conflict des Human Rights Councils“ A/HRC/24/L.32/Rev.1, (mit 42 Stimmen dafür, eine dagegen (USA) und vier Enthaltungen). Die Resolution drängt Staaten dazu den Transfer von Waffen zu stoppen, wenn ein Risiko besteht, dass diese Werkzeuge benutzt werden, um die Menschenrechte in bewaffneten Konflikten zu beschädigen. Die Resolution verbindet zum ersten Mal den Waffenhandel mit der Verletzung von Menschenrechten, inklusive der Frauenrechte und geschlechterspezifische Gewalt. Diese Resolution geht in Übereinstimmung mit dem gerade verabschiedeten ATT.
Amnesty International wird den Prozess weiterhin begleiten und die Staatengemeinschaft an ihre Zusagen erinnern.
INFORMATIONEN UND LINKS
Amnesty Kampagne “Hände hoch für Waffenkontrolle”
Control Arms(englisch)
small arms survey (englisch)
Moms demand action (englisch)
IANSA Women`s Network: Frauenrechte und Kleinwaffen (englisch)
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Video: “Women’s rights”, eine Kooperation der AI Jugend aus Ghana und der AI
Jugend aus Deutschland
Die AI Jugend aus den Ländern Ghana und Deutschland haben ein Video über
Frauenrechte erstellt: “Women’s rights”
https://amnesty-frauen.de/2020/03/womens-rights-video/
In diesem Video geht es unter Anderem um die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern bei gleicher Arbeit sowie um die Mehrfachbelastung von Frauen und Müttern, die sich neben ihrer Berufstätigkeit allein um den Haushalt und die Kinder kümmern, und dies in der Regel ohne Bezahlung.