DIE ISTANBUL KONVENTION RETTET LEBEN

Hundreds protest Turkey’s withdrawal from Istanbul Convention, 20 March 2021. Demonstrators gathered in the Kadikoy district of Istanbul, Turkey, to protest against Turkish President Recep Tayyip Erdogan’s decision earlier in the day to leave the Istanbul Convention, a European treaty designed to prevent violence against women. Protesters chanted feminist slogans and held up signs denouncing the government decision.

Internationaler Aktionstag am 11. Mai 2021, zehnten Jahrestag der Konvention

Die Istanbul-Konvention

(Übereinkommen des Europarats
zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt)

Sie wurde am 11. Mai 2011 in Istanbul abgeschlossen.

Die Istanbul-Konvention ist auf europäischer Ebene das erste juristisch verpflichtende Instrument zum Schutz von Frauen und Mädchen gegen jede Form der Gewalt.

Sie stellt die Verpflichtungen des Staates klar, häusliche Gewalt zu bekämpfen und den Opfern adäquaten Schutz zu bieten. 

Der Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention ist ein beispielloser Schritt, der katastrophale Auswirkungen auf die Rechte von Frauen und Mädchen in dem Land haben wird. Ohne eine Rücknahme der Entscheidung wird der Austritt am 1. Juli 2021 rechtskräftig. Das bedeutet, dass wir bis Ende Juni Druck machen sollten.

Wir möchten euch Anregungen geben, wie ihr eure Solidarität mit Frauen, Mädchen, LGBTIQ+-Personen und Aktivist*innen, die in der Türkei gegen den Austritt ihres Landes aus der Istanbul-Konvention protestieren, zeigen könnt.

Als Datum für einen internationalen Aktionstag wurde der 11. Mai 2021 gewählt, der zehnte Jahrestag der Istanbul-Konvention.

Der 11. Mai wird für Frauenrechtsgruppen und Aktivist*innen in der Türkei ein wichtiges Datum sein. Allerdings wurde in der Türkei am 30. April einen 17-tägigen Lockdown verhängt, der die Möglichkeiten für Offline-Aktionen einschränkt. Um so wichtiger ist unsere Unterstützung.

  • Wir wollen den 10. Jahrestag der Istanbul-Konvention nutzen, um sie bekannter zu machen und ihre Bedeutung hervorzuheben. Angesichts des Anstiegs der Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Rahmen der Covid-19-Pandemie ist dieser Vertrag wichtiger denn je.
  • Wir wollen unsere Solidarität mit Frauen und Mädchen kundtun, die ein Leben frei von geschlechtsspezifischer Gewalt in der Türkei fordern.
  • Wir wollen auch unsere Solidarität mit türkischen Aktivist*innen zeigen, die mutig gegen den Austritt ihres Landes aus der Istanbul-Konvention protestieren.

Dazu findet ihr hier:

Eine Aktionsanleitung mit Aktionsvorschlägen für Offline-Aktionen, aber hauptsächlich für Online-Aktionen (Social Media)

Hier findet ihr häufige Fragen und Antworten zur Istanbul Konvention.

Sticker: Stopp häusliche Gewalt

Bild 1

Bild 2

 

Artikel 3 der Istanbul-Konvention

Gewalt gegen Frauen wird als eine Verletzung der Menschenrechte und eine Form der Diskriminierung von Frauen verstanden und bezeichnet alle Akte geschlechtsspezifischer Gewalt, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden für Frauen führen oder führen können, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, Nötigung oder willkürlicher Freiheitsberaubung im öffentlichen oder privaten Leben; (Artikel 3a)

Der Begriff Geschlecht bezeichnet die gesellschaftlich konstruierten Rollen, Verhaltensweisen, Tätigkeiten und Attribute, die eine bestimmte Gesellschaft für Frauen und Männer für angemessen hält; (Artikel 3c)

Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen ist jede Form von Gewalt, die sich gegen eine Frau richtet, weil sie eine Frau ist, oder von der Frauen unverhältnismäßig stark betroffen sind; (Artikel 3d)

 

Die wichtigsten Ziele auf einen Blick

Ziele: Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt, Opferschutz, Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt und Bestrafung der Täter:innen

Mittel: Überwachung, Ermittlung von Gesetzeslücken, Sensibilisierung, Datenerhebung, Forschung, Schulung, Kriminalisierung von geschlechtsspezifischer Gewalt, Abbau von Stereotypen und Einführung eines umfassenden Verständnisses von «Gender»

Mechanismen: Koordinierung nationaler und staatlicher Stellen, Einrichtung einer grenzübergreifenden Gerichtsbarkeit, Zwei-Säulen-Überwachungsmechanismus mit einem unabhängigen Sachverständigengremium (GREVIO) und einem Ausschuss der Vertragsparteien

 

Errungenschaften der Istanbul-Konvention

– Erste verbindliche Vereinbarung gegen geschlechtsspezifische Gewalt.

– Fokus auf häusliche Gewalt.

– Eindämmung aller Akte geschlechtsspezifischer Gewalt mit Schwerpunkt auf Frauen und Mädchen

– Weit gefasstes Verständnis von «Geschlecht»

– Besondere Berücksichtigung von geschlechtsspezifischer Gewalt im Kontext von Migration und Asyl

 

Herausforderungen

– Ausstehende Ratifizierung: Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Litauen, Slowakei, Lettland, Großbritannien

– Austritt aus der Istanbul Konvention: Türkei, evtl. Polen

Gründe:

– Institutioneller, juristischer und administrativer Aufwand

– Strategischer Widerstand gegen Souveränitätsübertragung

– Ideologischer Widerstand gegen weit gefasste Definition von Geschlecht

– Vorbehalte gegen die Kriminalisierung von weiblicher Genitalverstümmelung, Zwangsheirat und Sterilisation

 

 

Kritik an der Istanbul-Konvention

Aus feministischer Perspektive:

– „Ehre“ ist ein problematisches Konzept (Artikel 42)

– Mögliche Verstärkung der Viktimisierung und Untergrabung der Handlungskompetenz

– Fehlen von intersektionalen Ansätzen

– Geschlechtsneutrale Definition von häuslicher Gewalt

 

Aus ultra-konservativer Perspektive:

– Ablehnung «natürlicher» Unterschiede zwischen Männern und Frauen

– Bestehen auf traditionelle Geschlechterrollen

– Überschreitung der Zuständigkeiten der EU

– Vorwurf westlicher Dominanz

– Vermeintliche Diskriminierung von Jungen und Männern