Jede*r hat das Recht, frei von geschlechtsspezifischer Gewalt zu leben, auch während einer Pandemie. Jede fünfte Frau in der EU hat irgendeine Form von physischer und/oder sexueller Gewalt durch einen aktuellen oder früheren Partner erlebt. Für viele Frauen und Mädchen bedeutet “zu Hause bleiben”, in einer unsicheren Umgebung mit einem gewalttätigen Verwandten oder Partner eingesperrt zu sein.
Staaten müssen Ressourcen bereitstellen und spezifische Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Frauen und Mädchen während der COVID-19-Krise weiterhin Zugang zu Schutz- und Unterstützungsdiensten, einschließlich Schutzanordnungen, Hotlines und Zufluchtsstätten haben. Sie müssen auch sichere Räume schaffen, in denen auf COVID-19 getestet werden kann und die die Möglichkeit zur Selbstisolierung in Sicherheit bieten. Staaten müssen die Anbieter von psychologischen, medizinischen und rechtlichen Unterstützungsdiensten unterstützen und es ihnen ermöglichen, Frauen während der Krise weiterhin zu helfen, zum Beispiel auch durch Apps, die Betroffene schützen, und indem sie diese Anbieter als “systemrelevant” ausweisen.
Regierungen sollten auch eine Politik einführen, die Frauen und Mädchen, die vor Gewalt und Missbrauch fliehen, von Strafen für das Überschreiten von Ausgangssperren oder Reisebeschränkungen befreit und ihnen dabei helfen, sich in Sicherheit zu bringen. Staaten müssen auch Richtlinien durchsetzen, die den Informationsaustausch zwischen verschiedenen Stellen und den Einwanderungsbehörden während der Pandemie unterbinden, so dass Migrantinnen ohne Papiere nicht davon abgehalten werden, Gewaltvorfälle aus Angst vor Abschiebung zu melden, und ohne Diskriminierung Zugang zu Dienstleistungen erhalten.
In Ländern mit restriktiven Abtreibungsgesetzen und anderen, praktischen Hindernissen für den Zugang zu sexuellen und reproduktiven Gesundheitsdiensten sind schwangere Menschen, die diese Dienste benötigen, im Kontext der COVID-19-Pandemie noch größeren Risiken für ihre Gesundheit und ihr Leben ausgesetzt. Staaten müssen den Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheitsversorgung während der Krise sicherstellen, wobei geeignete Schutzmaßnahmen, wie z.B. Reisebeschränkungen, getroffen werden müssen. Dazu gehört der Zugang zu sicheren Abtreibungen, einschließlich Abtreibungspillen für die Verwendung zu Hause, die Betreuung nach der Abtreibung und die Behandlung von Fehlgeburten sowie Schwangerschaft, prä- und postnatale Untersuchungen, Beratung und Betreuung, und wo dies angemessen und für die Patient*innen zugänglich ist, sollten die Anbieter von Gesundheitsdiensten die Telemedizin nutzen.
Pandemien können bestehendes Stigma noch verschlimmern. Die COVID-19-Krise wird zweifellos die Diskriminierung beim Zugang zum Gesundheitswesen und anderen Unterstützungsdiensten, mit der einige Frauen regelmäßig konfrontiert sind, verstärken. Frauen, die in der Sexarbeit tätig sind, , viele von ihnen trans*, erleben einen Rückgang ihrer Lebensgrundlagen, verbunden mit Menschenrechtsverletzungen als Folge der Aufrechterhaltung schädlicher Stereotypen rund um die Sexarbeit.
Frauen stehen bei der Betreuung der von COVID-19 Betroffenen in der überwiegenden Zahl der Fälle an vorderster Front. Sie machen 84% aller Krankenpfleger*innen in Europa und 83% der professionellen Betreuer von Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen aus. Da Frauen über 70 Jahre besonders gefährdet sind, wenn sie sich mit COVID-19 infizieren, sollten Regierungen sicherstellen, dass ältere Frauen, auch solche, die allein oder in Pflegeheimen leben, nicht im Stich gelassen werden.
Dies ist eine Übersetzung des Amnesty Statements, aufrufabr unter: https://www.amnesty.org/en/documents/eur01/2079/2020/en/