Gesellschaftliche Stereotype und vor allem veraltete Gesetze erschweren die Strafverfolgung von Vergewaltigung. Auch in Dänemark sollte Sex ohne Einwilligung als Vergewaltigung geahndet werden.
Dänemark gilt als ein Land, in dem die Gleichstellung der Geschlechter einen hohen Stellenwert einnimmt. Doch der Schein trügt: Das Land weist eine der höchsten Vergewaltigungsraten Europas auf. Und Vergewaltiger gehen in Dänemark meist straffrei aus – wegen einer mangelhaften Gesetzeslage und weit verbreiteter Vergewaltigungsmythen und Geschlechterstereotype. Das zeigt der englischsprachige Amnesty-Bericht “‘Give us respect and justice!’ Overcoming barriers to justice for women rape survivors in Denmark”.
Der Bericht belegt, dass Frauen und Mädchen, die Vergewaltigungen anzeigen, häufig vor Gericht scheitern: Denn die rechtliche Definition von Vergewaltigung ist gefährlich und veraltet. In den meisten Fällen werden Vergewaltigungen gar nicht erst angezeigt. Die Betroffenen befürchten, dass man ihnen nicht glaubt. Außerdem haben sie Angst vor einer Stigmatisierung. Das Vertrauen in das Justizsystem ist überaus gering.
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Sex ohne Einwilligung ist Vergewaltigung
“Es ist ganz einfach: Sex ohne Einwilligung ist Vergewaltigung. Wenn dies rechtlich nicht anerkannt wird, dann bleiben Frauen auch weiterhin sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Außerdem fördert diese fehlende Anerkennung eine Kultur, in der dem Opfer die Schuld zugeschoben wird und der Täter straffrei ausgeht.
Dazu tragen auch Vergewaltigungsmythen und Geschlechterstereotype bei, die in Dänemark weit verbreitet sind: Vom Spielplatz bis in die Umkleidekabine, von der Polizeiwache bis in den Zeugenstand”, sagt der Generalsekretär von Amnesty International Kumi Naidoo. Darüber hinaus bekräftigte er, dass die veralteten dänischen Gesetze zu Vergewaltigung internationalen Standards nicht entsprechen.
Die dänische Regierung hat kürzlich versucht, den Überlebenden von Vergewaltigungen den Zugang zur Justiz zu erleichtern. Aber nach wie vor werden in Dänemark nur wenige Fälle angezeigt. Und selbst wenn die Betroffenen zur Polizei gehen: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Täter belangt und verurteilt werden, ist äußerst gering.
2017 wurden nur 890 Vergewaltigungen bei der Polizei angezeigt. Die Zahl der tatsächlichen oder versuchten Vergewaltigungen wird weit höher geschätzt: Das Justizministerium spricht von 5.100 Fällen, eine aktuelle Studie sogar von 24.000. Von den 890 angezeigten Fällen wurden 535 strafrechtlich verfolgt. Nur 94 Täter wurden verurteilt.
Tiefgreifende Vorurteile bei den Verantwortlichen innerhalb des Justizsystems tragen maßgeblich dazu bei, dass so wenige Täter verurteilt werden. Mangelndes Vertrauen in das Justizsystem, Selbstvorwürfe und die Angst, dass man ihnen nicht glaubt, halten viele Betroffene davon ab, Vergewaltigungen zur Anzeige zu bringen.
Angst vorm Erstatten der Anzeige
Die Grundlage des neuen Amnesty-Berichts bilden 18 Interviews mit Frauen und Mädchen, die älter als 15 Jahre sind und vergewaltigt wurden. Außerdem kommen Personen aus NGOs und relevanten Behörden sowie weitere Fachleute zu Wort. Die Ergebnisse der Befragungen machen deutlich: Betroffene, die den oder die Täter angezeigt haben, erlebten das Gerichtsverfahren und dessen Nachwirkungen häufig als stark traumatisierend.
Viele Betroffene sind nach einer Vergewaltigung mit Ablehnung, Schuldzuweisungen und Vorurteilen konfrontiert. Einige der Interviewten berichteten Amnesty International, vor allem aus Angst von einer Strafanzeige abzusehen: Angst, dass die Polizei- oder Justizangehörigen ihnen nicht glauben, ihnen Vorwürfe machen oder sie bloßstellen würden.
Demütigung der Betroffenen
Die 39-jährige Journalistin Kirstine versuchte viermal, bei der Polizei eine Vergewaltigung anzuzeigen. Beim zweiten Versuch zeigten ihr die Polizeikräfte eine Arrestzelle und warnten sie, dass sie bei einer Falschaussage ins Gefängnis kommen könne.
Sie beschrieb Amnesty International, wie sie während der Aufnahme der Anzeige erneut Angst, Scham und Demütigung durchlebte. Abschließend meinte sie: